Die Kammer der Herberge, in der Nikolaus in Basel residiert.

Nikolaus erhebt sich soeben, so dass ersichtlich wird, dass er vor dem Kreuz seines "Hausaltars" gekniet und gebetet hat. Er geht zum Tisch, nimmt ein Papier und beginnt, einen Brief an den Grafen Manderscheid zu schreiben.

Offenbar ist ihm dies lästig. Schreibend und sprechend zugleich berichtet er von seiner erfolglosen Audienz bei Cesarini. Doch habe er einen Mann, der der Konzilspartei angehört und über weitreichende Verbindungen verfügt, kennengelernt. Sein Name sei Enea Silvio Piccolomini. Dieser Herr habe ihm Hoffnung gemacht, den Prozess zu einem günstigeren Zeitpunkt in Gang zu bringen... Hastig faltet er den Brief zu­sammen und legt ihn beiseite.

Dann greift er feierlich, als sei es ein großer Augenblick, einen neuen Bogen und legt ihn akkurat vor sich hin. Langsam setzt er Buchstabe an Buch­stabe: De Catholica Concordantia.

Darunter schreibt er: von Nikolaus Krebs.

Er stutzt. Dann streicht er den Namen aus, überlegt einen Moment und schreibt von Nikolaus de Cußa.

Er stockt wiederum und setzt ein Fragezeichen hinter den neuen Namen. Er überlegt erneut und schreibt schließlich: von Nikolaus Cusanus.

Er setzt wieder ein Fragezeichen, doch nach einem Moment des Zögerns unterstreicht er den letzten Namen.

Nikolaus hebt das Papier in Augenhöhe und spricht, als handle es sich um eine Verkündigung, die deutsche Übersetzung:

„Von der allumfassenden Eintracht, verfasst von Nicolaus Cusanus“.

Nach einer kurzen Pause der Besinnung fängt er an, mit schnellen Bewegungen zu schreiben.

 

Basel, außen. Der Platz vor dem Münster.

Mehrere hundert Menschen haben sich vor dem Münster versammelt. Eine Garde sorgt für eine Gasse, durch die die etwa dreihundert Teilnehmer der Konzils-Versammlung schrei­ten. An der Spitze des Zuges der Präsident und Kardinal Cesarini, gefolgt von anderen Kardinalen, Bischöfen bis hin zum niederen Kle­rus. Jubel und Buh-Rufe der Menge vermischen sich. Ziemlich am En­de der Prozession tauchen die Gestalten von Cusanus und Piccolomini auf.

Nikolaus wirkt sichtlich nervös. Zu Piccolomini sagt er: Er habe ein ungutes Gefühl, als ein vom Papst Exkommunizierter die Kan­zel zu besteigen. Piccolomini beruhigt ihn: Es sei alles bestens ar­rangiert. Die Mehrheit der Konzislteilnehmer sei gegen den Papst und wünsche ausdrücklich, zu hören, was Nikolaus zu sagen habe. Er, Niko­laus, brauche sich keine Sorgen zu machen. 

Die Beiden haben, wie die anderen Teilnehmer der Prozession, die Hände gefaltet.

Nikolaus zwingt seine Unruhe nieder. Er macht jetzt ein ernstes Gesicht. Hin und wie­der wirft er einen ausdrucklosen Blick auf die Menge. Da die Prozes­sion international gemischt ist, bietet sich die Gelegenheit, inter­essante Köpfe ins Bild zu bringen.

 
Baseler Münster, innen.

Der Lobgesang eines Chores ertönt, während sich die Teilnehmer auf ihre angestammten Plätze verteilen. So der höchste Klerus zu beiden Seiten des Hochaltars, der mittlere Klerus und der Adel auf den Bänken im Kirchenschiff.

Cusanus besteigt die Kanzel. Er lässt den Blick über die Versammlung schweifen. Es wird still. Nikolaus schweigt noch einen Moment, um die Spannung zu steigern. Dann beginnt er, frei sprechend, seine Rede. Darin werden die wichtigsten Gedanken aus seiner "Catholica Concordantia" vorgestellt. (Die "Catholica Concordantia" gilt in der Geschichte der politischen Theorien als ein Werk, das mit dem des Machiavelli gleichgesetzt wird).

Ein zentraler Gedanke besteht in der Analyse der Begriffe "Einheit" und "Vielheit". Cusanus stellt die Fülle (Vielheit) der Interessen des einzelnen Menschen und der Gesellschaft fest. Diese vielfältigen Inter­essen müssen zu einer "Einheit" zusammenwachsen, da nämlich die Viel­heit (der Interessen) der "Einheit" zugrunde liegt.

Nikolaus veranschau­licht diesen philosophischen Gedanken anhand des menschlichen Organismus.

Die Organe in unserem Körper erfüllen viele und unterschiedliche Funktio­nen - und zwar in einer Weise, dass sie eine funktionierende Einheit bil­den. Würde sich ein Organ in unserem Körper über die anderen erheben, so drücke es damit die Verneinung der Einheit aus.

Auf das Konzil bezo­gen: Die Idee der Einheit sei, so Nikolaus, eine absolute Forderung, die vor allem in der täglichen Kirchenpraxis angestrebt werden müsse - ange­strebt, denn erst in Gott, im ewigen und unendlichen Leben könne sie voll­endet werden. Kurz: Die oft gegensätzlichen Interessen der Menschen auf Erden, die zu Konflikten und Kriegen führen, würden von uns fälschlicherweise als anta­gonistisch begriffen. In Wahrheit handle es sich bei der Vielheit der Interessen um Glieder einer Einheit (oder Eintracht), die bei Gott ist. Ist das erst einmal erkannt, so fährt Nikolaus fort, wird sich kein Glied mehr aus der Vielheit der Interessen über die Einheit erheben, so wie sich in einem gesunden Körper kein Organ über die anderen erhebt und so dessen Einheit beschädigt.

In diesem Sinne legt Cusanus Gedanken vor, die zur Reform des zerstrit­tenen Kirchen-Körpers beitragen sollen. Seine Gedanken laufen darauf hinaus, dass das Konzil zwar weniger fehlbar sei als der Papst. Jedoch, die Idee der Einheit verpflichte Konzil und Papst zu einem Konsens, der von Gott befohlen sei. Nur über die Idee der Einheit, die, wie gesagt, göttlichen Ursprungs ist und aus der die Vielheit entspringt, könne die Spaltung der Kirche, das Schisma, verhindert werden.

(Ähnliche Gedanken entwickelt Cusanus auch für den "Staatskörper", der durch die Idee der Einheit gesichert werden soll. So fordert er ein einheitliches Staats- und sogar Steuerrecht, auf das hier nicht näher eingegangen werden soll)

Nikolaus hat seine Rede beendet. Die Stille drückt aus, wie beeindruckt die Zuhörer sind.

Er geht durch den Gang des Kirchenschiffs, an dessen Ende ihn Piccolomini in Empfang nimmt. Piccolomini spricht von einem "großen Tag" in der Geschichte des Konzils. Nicht eine, sondern tausend Tauben seien heute über Basel geflogen.

Cusanus bleibt skeptisch. Gewiss, in diesem Augenblick sei unverkennbar, dass die Idee des Konsens die Herzen der Anwesenden bewege. Doch werden sie auch im Sinne der von Gott gegebenen Einheit handeln?