Einblendung: Kues an der Mosel.

Das Haus der Familie Krebs, in dem Nikolaus aufwuchs und in dem jetzt seine jüngere Schwester Clara und ihr Mann Paul von Bristge wohnen. Hierhin ist Cusanus geflüchtet.

Es herrscht Morgengrauen. Cusanus sitzt in seinem Arbeitsraum. Zwei nie­derbrannte Kerzen beleuchten die Holzplatte, an der er seine Gedanken notiert. Er schreibt und spricht zugleich:

"Ich sage also, gäbe es eine unendliche Linie, so wäre sie eine gerade Linie und ebenso - ein Kreis. Unser begriffliches Denken fasst es nicht, dass eine unendlich gerade Linie zugleich auch ein Kreis sein kann. Doch unserer Vernunft ist dieser - scheinbare - Widerspruch leicht einsich­tig. Der Umfang eines Kreises ist die gekrümmte Linie. Je größer der Kreis ist, umso geringer ist die Krümmung der Linie, die seinen Umfang beschreibt. Folglich ist die Linie des Kreises mit dem größtmöglichen Umfang am wenigsten gekrümmt und am meisten gerade. Das ergibt: Der unendlich große Kreis ist zugleich eine unendliche Gerade."

Während Cusanus spricht kommt ein Pergament ins Bild, das unter anderen Papieren auf dem Tisch liegt. Cusanus nimmt das Pergament in die Hand und betrachtet eine geometrische Zeichnung. Sie veranschaulicht, dass die Krümmung des Kreisumfangs abnimmt, je größer der Kreis gezeichnet ist. Dadurch erhält der Zuschauer einen optischen Eindruck von dem, was Nikolaus soeben gesagt hat.

Nikolaus fährt fort: "Doch dieser, für den Verstand nicht fassbare, für die Vernunft aber einleuchtende Zusammenfall der Gegensätze im Unendli­chen soll uns nur ein Rätselbild zum Erjagen der Werke Gottes sein".

Die Kamera zeigt nun die im Zimmer aufgestellten wissenschaftlichen Geräte (Himmelsglobus, Waage, Lineal usw), die sich alle noch heute in Kues befinden. Auch die prachtvollen handgeschriebenen Bücher kommen ins Bild.

Cusanus: Gottes Unendlichkeit ist nichts entgegengesetzt. Wie der Kreis und die Gerade ihre Gegensätzlichkeit verlieren, so hebt der unendliche Gott die Gegensätzlichkeit aller Dinge auf. Im schlechthin Größten und Absoluten, das wir als Gott denken, fallen alle Gegensät­ze zusammen.

Die ersten Sonnenstrahlen dringen durchs Fenster. Grell beleuchten sie Cusanus übernächtigtes Gesicht. Er steht auf und wirft einen Blick durchs Fenster. Er reibt sich die Augen, aber es ist kein Trugbild: Vor dem Haus steht ein Hengst, auf dem ein Reiter sitzt. Zu müde, um verwundert darüber zu sein, bläst er die Kerzen aus und steigt die Treppe hinab. Er öffnet die Haustür. Schlagartig erhellt sich sein Ge­sicht. Denn er hat den Mann erkannt, der inzwischen von seinem Schimmel gestiegen ist und auf Cusanus zugeht. Nikolaus ist noch sprachlos vor Überraschung, als der Mann das Wort ergreift: "Würde Kues mit scharfem "S" gesprochen, so würde der Name meinen innigsten Wunsch beschreiben“. Damit umarmt er Cusanus und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Cusanus reagiert. Er umschlingt den Körper des Mannes und beginnt, dessen Ge­sicht zu küssen. Die innige, intime Art, wie sich ihre Körper berühren, soll auf die - ihnen unbewusste - homoerotische Färbung ihrer Freund­schaft hinweisen. Cusanus, der kaum Luft bekommt, stammelt mehrmals den Namen des Freundes: Enea Silvio Piccolomini - mein Piccolomini, nach so vielen Monaten der Trennung steht er plötzlich und leibhaftig vor mir.

Cusanus Müdigkeit ist wie weggeblasen. Er zieht Piccolomini in den Flur und ruft zur Treppe hinauf: "Clara! Schwesterherz! Ein Freund...lieber Besuch...Tisch auf! Aber nur vom Besten!" Vor lauter Erregung gelingt ihm kein voll­ständiger Satz.

Clara erscheint schlaftrunken auf dem oberen Treppenabsatz. Hinter ihr taucht ihr Mann Paul von Bristge auf. Er ist etwa 45 Jahre alt und von kräftiger Statur. Beide tragen noch ihre Nachtgewänder. Cusanus wieder­holt: "Clara! Nur vom Allerbesten! Und rasch!" Währenddessen nimmt er Piccolomini Umhang und Handschuhe ab, legt sie auf die Kommode und führt den Freund in die Wohnstube.

 

Kues. Die Wohnstube.

Cusanus, Piccolomini und Clara sitzen an dem mit Brot, Wein und Obst gedeckten Tisch. Paul von Bristge kommt aus der Küche und stellt zwei mit Rehrücken und Hirschkeulen gefüllte Platten auf den Tisch. Dann setzt er sich auf seinen Platz. Clara füllt die Teller. Als ihr Mann seinen Teller Clara reichen will, be­kommt er zur Antwort: "Die Gewürze! Rasch die Gewürze!". Bristge setzt seinen Teller zurück auf den Tisch, murmelt eine Entschuldigung und stolpert in die Küche. Als er verschwunden ist, erkundigt sich Piccolomini nach dem Beruf von Bristge. "Er ist der Bürgermeister", erklärt Clara. "Bürgermeister?" fragt Piccolomini in einem Ton, als habe er vor diesem Amt eine besondere Hochachtung. Clara korrigiert ihn: Ihr Mann habe wenig zu tun und mache sich deshalb im Haus nützlich.

Piccolomini hat ungewöhnlich schön geformte und gepflegte Hände, deren Finger von kostbaren Ringen verziert sind. Spitz greift er mit der Rechten in eine Schüssel voll Weintrauben, wählt eine besonders runde und saftige aus, die er behutsam vom Strauch löst und sie im Mund zergehen lässt.

Claras Mann hat kaum die Schälchen mit den Gewürzen auf den Tisch ge­stellt, da deutet seine Frau auf eine fast leere Weinflasche. "Und jetzt noch rasch etwas Wein aus dem Keller“, sagt sie wie zu einem gehorsamen Kind. Bristge geht in den Keller. Piccolomini wirft ihm einen amüsierten Blick nach. Während er ein winziges Stück Fleisch in den Mund nimmt, erklärt er Clara, dass sie mit ihrem Mann so umgehe, wieKönig Friedrich mit ihm. Er sei nämlich, erklärt er selbstironisch, dessen "Hofpoet". Dann imitiert er König Friedrich: "Los, ein paar Verse, Piccolomini, ein paar Verse!" Clara und Nikolaus lachen. Während sie weiter essen, stellt Clara eine Frage, wobei sie sich be­müht, nicht den Anschein der Neugier zu erwecken: Weshalb er, Piccolomini, von der konziliaren  zur papalen Partei übergetreten sei? Um eine Antwort ist Piccolomini nicht verlegen: Er habe eines Tages beschlossen, selbst Papst zu werden - und zwar mit aller von oben verliehenen Macht.Danach habe er nicht länger bei den Konziliaristen bleiben können. Das wäre doch Heuchelei gewesen.

Clara und Nikolaushalten das für einen Scherz und lachen. Piccolomini macht hingegen ein ernstes Gesicht, bricht aber schließlich in das Gelächter ein (Tatsächlich wird Picco­lomini Papst).

Claras Mann betritt mit zwei Flaschen Wein in den Händen die Stube und schenktdie Gläser voll.

Clara: Und wenn Piccolomini gerade nicht dichte, was tue er dann? Er sei Sekretär und Gesandter des Königs, erwidert Pic­colomini. Friedrich sei überfordert vom Wirrwarr der Politik und widme sich lieber der Gärtnerei und seinen Singvögeln, die er fange. Der König sei überzeugt, er könne - wieder heilige Franz von Assisi - die Sprache der Tiere verstehen.

Piccolomini ahmt gekonnt die vielen Stimmen der Vögel nach, mit denen sich Friedrich zwitschernd unterhält. Das Gelächter veranlasst ihn, ein "Gespräch" zwischen dem König und seiner Drossel zu imitieren. Zwi­schendurch erklärt er, was die Vogellaute bedeuten sollen. So geht es darum, dass König Friedrich die Drossel fragt, ob er einmal zum Kaiser gekrönt werde. Die Drossel (Piccolomini) plustert sich freudig auf und "antwortet": „Aber ja, aber ja! Es sei Österreichs Bestimmung, die Welt zu beherrschen!“

Claras Mann erzählt, dass er einen Bauern kenne, der mehr zu seinen Sauen spreche als mit seiner Frau und seinen Kindern. Über diesen Scherz lacht nur er selbst, verstummt aber sofort, als er den stra­fenden Blick seiner Frau bemerkt.

Um die unpassende Bemerkung rasch in Vergessenheit zu bringen, wech­selt Piccolomini das Thema. In Italien sei ein Gericht in Mode ge­kommen, eine Teigware aus Mehl, Wasser und Eiern, die zu langen, dünnen Fäden gerollt würde (Es handelt sich um Fadennudeln). Dann demonstriert er, wie dies geschieht, indem er einen Faden mit Hilfe eines Löffels um eine Gabel dreht. Morgen, verspricht er Clara, würden sie gemeinsam das neue Gericht zubereiten.