Einblendung: Ferrara, 1438

Die päpstliche Residenz, innen. Das Arbeitszimmer des Kardinals Guiliano Cesarini.

Der Kardinal sitzt hinter seinem Schreib­tisch, davor Cusanus. Cesarini überreicht Nikolaus mehrere Dokumente, die Cusanus mit zufriedenem Lächeln betrachtet.

Cesarini: „Die Überschrei­bungen machen Euch zu einem reichen Mann. Ihr besitzt jetzt so viele Pfründe wie ein Kardinal der Kurie“.

Dann steht Cesarini auf und begibt sich zu einer Vitrine. Er holt jene Flasche Wein hervor, die ihm Cusanus in Basel geschenkt hat (siehe Szene 3). Der Zuschauer soll die Flasche an ihrer Form oder am Etikett sofort wiedererkennen.

Bevor Cesarini die Flasche öffnet und einschenkt, fragt er Cusa­nus, ob er die Flasche wiedererkenne.

Cusanus bemerkt, er habe damals, in Basel den Eindruck gehabt, dass Cesarini das Geschenk überhaupt nicht wahrgenommen beziehungsweise die Flasche nach dem Ende der Audienz habe weg­räumen lassen.

Cesarini: „Die Kirche Gottes sieht alles, behält alles und vergisst nichts“.

Sie heben die Becher, während Cesarini sagt: "Auf den roten Hut, den Ihr bald tragen werdet!"

Danach wird die lockere Atmosphäre wieder kühler. Cesarini erklärt Niko­laus die politische Lage. Das Baseler Konzil, das  immer noch tage, habe einen Gegenpapst gewählt, der sich Amadeus VIII nenne. Das Problem sei, dass sich die deutschen Fürsten unter ihrem neuen Konig Friedrich III so­wohl gegenüber Papst Eugen als auch gegenüber dem sogenannten Amadeus neutral verhielten. Papst Eugen, das wisse Nikolaus, sei jedoch auf die Unterstützung der deutschen Fürsten angewiesen - nicht zuletzt wegen der vielen Pfründen, die sich in deutscher Hand befänden. Aber ebenso wichtig sei: Ohne die Hilfe der Deutschen könne Papst Eugen dem byzantinischen Kaiser keine wirksame Hilfe für den Kampf gegen die Türken versprechen. Aus diesem Grunde werde Cusanus sich einer päpstlichen Delegation anschließen, um auf den Reichsfürstentagen die Deutschen aus ihrer Neutralität zu locken und auf Seiten des Papstes zu ziehen.

Cusanus schweigt. Er weiß nicht recht, ob er sich über die neue Aufgabe freuen soll.

Cesarini, der dies errät, erinnert ihn:

Einige Würdenträger der Kurie seien gleichsam schon als Kardinal aus dem Leib ihrer fürst­lichen Mütter gekrochen. Aber von dem Sohn eines einfachen Schiffers verlange man Beweise, ob er würdig sei, den roten Hut zu tragen.

 

Eine Flusslandschaft in Tirol. Nachmittag.

Cusanus und sein Tross fahren auf einem steinigen Uferweg einen Fluss entlang.

Cusanus Tross besteht aus seinem Sekretär, dem Priester Lorenz Hammer, Anfang Dreißig, 4-6 berittenen Gardisten, einem Planwagengespann, in dem Cusanus reist und einem weiteren Plangespann für Gepäck und Material, auf dem neben dem Kutscher noch ein bis zwei Bedienstete sitzen.

Hinter einer Biegung haben sich etwa 150 Frauen, Männern und Kinder am Ufer des Flus­ses versammelt. Es ist einfaches Landvolk, überwiegend Bauern, Kleinhandwerker und Tagelöhner sowie deren Angehörige, die gespannt, teilweise verzückt ein Geschehen im Fluss verfolgen.

Auf ein Zeichen des Sekretärs Hammer, der an der Spitze reitet, hält das Tross an. Cusanus steigt aus seinem Wagen aus und stellt sich in den hinteren Teil der Menge. Das übrige Geleit des Cusanus war­tet auf dem Uferweg.

Die Menschen-Menge folgt der Predigt eines Mannes, der bis zu den Hüften im Wasser steht. Der Mann, etwa 35 Jahre alt, hat sich hergerichtet wie Johannes der Täufer. Und das glaubt er auch zu sein. Er spricht zu der Menge, dass Gott ihn noch einmal auf diese Welt gesandt habe. Denn die Wiederkehr des Herrn und Heilands Jesu Christi stehe unmittelbar bevor. Er, Johannes, sei von Gott dazu auserwählt, Ihn, den Sohn, zu erkennen. Doch sei er dazu nicht allein bestimmt. Jeder, der sich von ihm taufen las­se, würde der Gnade des Erkennens teilhaftig.

Ernst und herausfor­dernd schaut der falsche Täufer die Menge an. Einige lachen, sind amüsiert, andere fühlen sich in den Bann des Mannes geschlagen- zumal er die Ankunft Jesu in eine Prophezeiung vom nahen Weltende einbaut.

Plötzlich erschrickt der Täufer. Er sieht, wie Cusanus ans Ufer tritt und zwei Taufwillige von hinten an die Arme greift und zurückdrängt, während er selbst in das Wasser watet. Nun wagt nie­mand mehr, den Fuß ins Wasser zu setzen.

Gespannt verfolgen 150 Augenpaare, was sich im Wasser ereignen wird.

Cusanus watet auf den Mann zu. Der Täufer ist irritiert. Für einen Moment glaubt er, Cusanus wolle sich taufen lassen. Spürbar wird dies, als er Cusanus auffordert, sich so zu stellen, dass er quer zu ihm, dem Täufer, steht.

Über diese Worte strafft sich Cusanus Körper. Der Zorn verdoppelt seine Kraft. Obgleich kleiner als der Täufer, gelingt es ihm, den Mann zu packen, umzu­stoßen und seinen Kopf unter der Wasseroberfläche zu halten.

Der Mann kann sich befreien und will jetzt seinerseits Cusanus angreifen. Doch der Anblick der vier bewaffneten Gardisten des Cusanus, die watend näherkommen, hält ihn davon ab. Er versucht zu fliehen.

Cu­sanus springt hinter ihm her, bekommt seine langen Haare zu fassen und reißt seinen Kopf erneut unter Wasser.

Der Täufer versucht ver­zweifelt, sich zu befreien. Doch diesmal ist Cusanus Griff steinhart. Als er ihn schließlich lockert und das Gesicht des Täufers an die Oberfläche kommt, sieht es aus wie leblos.

Cusanus schleudert den Körper von sich. Er watet zum Ufer zurück und steht vor der Menge, die dichter zusammengerückt ist. Die Menge schweigt und starrt ihn an. Cusanus bleibt stehen. Offen­sichtlich wollen die Menschen keine Gasse bilden.

In dieser Situation soll erstmals ein weiterer, paranoider Charakterzug des Cusanus angedeutet werden.

Cusanus eben noch zornbebendes Gesicht erbleicht. Wie ein in die Enge getriebenes Tier schaut er die Menge an. Sein Blick flackert und gleitet schließlich hilfesuchend zu seinen Gardisten. Die vier Männer treten an seine Seiten und bahnen ihm entschlossen einen Weg durch die Menge, die schweigend zurückweicht.

Cusanus sieht die Menschen nicht mehr an. Er steigt in seinen Planwa­gen und verschwindet darin.

 

Alpenpanorama, Cusanus, sein Tross. Mittag.

Die von den Strapazen der Reise gezeichneten Männer  machen eine Rast. Sie essen oder sind eingenickt.

Cusanus begibt sich an das Ufer eines nahe gelegenen Bergsees. Dort setzt er sich auf einen Stein und betrachtet still das majestätische Gipfelmassiv der Berge, die Zeugnis von der Schönheit und Erhabenheit der göttlichen Schöpfung abgeben. Der Anblick beeindruckt Cusanus. Auf seinem Schoß liegt ein Schreibbrett. Notierend und sprechend zugleich versucht er, Gott mit Hilfe des Unterschieds zu den Menschen zu definieren:

„In unserer Welt sind Können und Sein getrennt. Was immer in dieser Welt ist, ist mit der Möglichkeit behaftet, anders zu sein, als es ist. Denn der Möglichkeit nach könnten sogar Berge Täler und Täler Berge sein. Nur Gott ist anders. In ihm sind Können und Sein identisch. Er ist das Können-Sein selbst, weil er als einziger wirklich ist, was er sein kann. Dieses Können-Sein Gottes geht jedem anderen Können voraus.

Deshalb gründen alle Dinge in dem, was sie sind, in Gott. Gott ist alles Sein und Können. Nichts kann früher, mächti­ger, größer oder kleiner sein als dieses Können-Sein. Gott kann nichts werden, was er nicht von Ewigkeit her schon ist“.