Basel 1432. In der Stadt findet die große Kirchensynode, das Konzil zu Basel (1432-1449), statt. 

Außen, Tag, eine Straße:

Die Straße ist sichtlich durch das Konzil belebt. Etwa fünfhundert Konzilsteilnehmer - Kardinale, Bischöfe, Mönche, Grafen, Juristen usw. aus allen Teilen Europas haben eine Flut von Kaufleuten, Dienern, Bettlern, Artisten, Freudenmädchen usw. nach sich gezogen.

Nikolaus , jetzt 31 Jahre alt, einen Beutel in der Hand, geht langsam die Straße entlang. Er ist beeindruckt. Neben einfachem Volk sowie Bettlern und Krüppeln, die am Straßenrand um ein Zeichen der Nächstenliebe bitten, deutet die prunkvolle und farbenprächtige Kleidung anderer Passanten darauf hin, dass sie bei dem weltpolitisch bedeutsamen Konzil eine Rolle spielen.

Dazu hört man die Stimme Eneo Silvio Piccolominis, dem späteren Papst Pius II, der als Berater an dem Konzil teilnimmt und erstmals in der übernächsten Szene auftreten wird, aus dem Off:

„Nikolaus, geboren in Kues an der Mosel, war der Sohn eines Schiffers. Er verließ früh sein Zuhaus, weil er sich schon als Kind zu Höherem berufen fühlte. Ein Gönner, der Trierer Graf Manderscheid, ermöglichte ihm den Besuch einer christlichen Schule. Nikolaus studierte Theologie und Kirchenrecht, und er kam 1432 hierher nach Basel, wo in jenen Jahren das große Kirchenkonzil tagte.

Nikolaus hatte versucht, seinem Gönner Manderscheid den Bischofsstuhl des Erzbistums Trier zu verschaffen. Erfolglos, denn der Heilige Vater traf eine andere Wahl. Da sie sich damit nicht abfinden konnten, verhängte der Heilige Vater über die Beiden den Kirchenbann.

Nikolaus kam hierher nach Basel, um für sich und seinen Grafen einen Gerichtsentscheid zur Aufhebung dieser Exkommunikation zu erreichen“.

 

Überblendung, Basel, außen.

Ein palastartiges Haus, in dem der Konzilsvorsitzende und Kardinal Guiliano Cesarini residiert.

Nikolaus steht ratlos vor dem Gebäude, in das Geist­liche und Boten hinein- und hinauseilen. Angesichts des Betriebes und der ernsten Gesichter der Menschen, die vor seinen Augen Revue passieren, fühlt er sich plötzlich "klein".

Dazu wieder die Stimme Piccolominis aus dem Off:

„Nikolaus bat mich, ihm eine Audienz bei dem Konzilsvorsitzenden, dem Kurienkardinal Cesarini zu verschaffen.

Diese Audienz wäre ihm niemals gewährt worden, hätte Nikolaus nicht einen Schatz von unermesslichem Wert entdeckt. Einen Schatz, den selbst der Heilige Vater vergeblich versucht hatte, ihm abzukaufen:

Nikolaus hatte 12 bis heute völlig unbekannte Bücher entdeckt, 12 Meisterwerke des antiken Abendlandes. Es waren 12 Komödien, geschrieben von dem großen, begnadeten antiken griechischen Poeten Plautus!

Ich musste mir von Nikolaus unbedingt Abschriften dieser 12 Komödien für meine eigene Bibliothek verschaffen. Deshalb überredete ich Kardinal Cesarini zu dieser Audienz“.

Nikolaus besinnt sich jetzt und steuert auf die Treppe zum Haupteingang des Gebäudes zu.

 

Basel, die Residenz Cesarinis. Innen.

Nikolaus sitzt in einem Vorzimmer auf einem Stuhl und wartet. Unkonzentriert betrachtet er die Gemälde, meist biblische Motive, die die Wände schmücken. An einem Schreibtisch sitzt ein Mann - offenbar Cesarinis Sekretär - und studiert eine Akte. Von Nikolaus nimmt er keine Notiz. Nikolaus öffnet mit fahrigen Fingern den Knoten eines Beutels und holt eine Flasche Wein hervor. Die Flasche besitzt eine auffällige Form und ist leicht wieder zu erkennen, sie kommt in einer späteren Szene noch einmal ins Bild.

Die Flügel einer Türe werden von zwei Dienern geöffnet. Nikolaus blickt in die Tiefe eines Saales, an dessen Ende ein schlanker Mann hinter einem Schreibtisch sitzt.

Guiliano Cesarini (34 Jahre alt) liest noch eine Weile in einem Schriftstück, bevor er seinen Blick dem Besucher zuwendet. Sein Gesicht ist streng, der ganze Mann macht den Eindruck eines Asketen. Offensichtlich erhofft sich Nikolaus ein freudiges Wiedersehen. Denn er kennt den Kardinal aus zahlrei­chen Disputen, die sie damals während ihres zeitgleichen Besuches in der Universität in Padua geführt haben. Vorsichtig versucht er darauf anzuspielen, um das Klima zu verbessern:

„Kardinal Cesarini! Ihr erinnert Euch an mich? An Padua, unsere gemeinsame Studienzeit“?

Doch Cesarini überhört die Erinnerung an Padua, als hätten die Begegnungen überhaupt nicht stattgefunden. Er behandelt Nikolaus weiterhin wie einen Fremden. Ohne ein Lächeln erhebt er sich von seinem Schreibtisch und deutet mit einer Handbewegung an, Nikolaus solle an einem kleinen Tisch, der in einer Ecke des Saales steht, Platz nehmen. Cesarini setzt sich gleichfalls.

Nikolaus stellt die Weinfalsche auf den Tisch - in der Hoffnung, doch noch die Stimmung verbessern zu können. Der edle Tropfen aus seiner Heimat würde Cesarini gewiss vorzüglich schmecken. Der Kardinal jedoch würdigt die Flasche mit keinem Blick. Aufrecht, die Hände auf dem Schoß übereinander gelegt, betrachtet er Nikolaus kühl und genau, wie ein Forscher sein Objekt:

"Ich höre".

Mit diesen zwei befehlshaberischen Worten unterbricht er Niko­laus Auslassung über die Qualität des Moselweins. Nikolaus stockt. Er ist verblüfft über den Ton, in dem Cesarini die beiden Worte gesagt hat. Er muss sich jetzt aufraffen, um sein Anliegen zu schildern: den Streit zwischen dem Grafen Manderscheid und dem Raban von Helmstedt, der vom Papst in Trier als Erzbischof eingesetzt worden ist. Nikolaus weist darauf hin, dass Cesarini bei einem Disput in Padua selbst einmal den Standpunkt vertreten habe, dass der Papst fehlbar sei. Und die Besetzung des Trierer Bischofsstuhls mit dem Raban sei ein Fehler.

Cesarini hat aufmerksam zugehört, aber - was Nikolaus irritiert und unsicher macht - kein Wort außer seinem "Ich höre" gesprochen. Nachdem er Niko­laus hat ausreden lassen - genauer: nachdem Nikolaus Rede "versickert", immer längere Pausen eintreten und er schließlich gar nichts mehr sagt, weil ihm beim Anblick des stumm dasitzenden Cesarini nichts mehr einfällt -, erhebt sich der Kardinal und sagt:

"Die Audienz ist beendet."

Dann geht Cesarini zurück zu seinem Schreibtisch.

Nikolaus, der das überraschende Ende zunächst nicht fassen kann, will noch etwas sagen. Er öffnet den Mund, bleibt aber buchstäblich sprachlos. Die beiden Diener öffnen die Flügeltüre. Die Kamera erfasst noch einmal die Weinflasche, die wie ein nutzloser Gegen­stand auf dem Tisch steht.

 

Basel, außen.

Nikolaus steht vor einem zweigeschossigen Haus, das von einem gepfleg­ten Garten umgeben ist. An der Türe hängt eine Holztafel, auf der, einge­schnitzt, der Name Enea Silvio Piccolomini steht. Nikolaus bedient den Tür­klopfer.

Ein Diener öffnet und bittet ihn einzutreten. Nikolaus fasst den Saal ins Auge, der fast die gesamte Fläche des Untergeschosses umfasst. Nur eine Türe weist auf einen zweiten Raum hin. Der Diener öffnet diese Türe, offensichtlich um den Besucher anzumelden. Durch den Türspalt sieht man, dass es sich bei dem zweiten Raum um ein Arbeitszimmer handelt.

Es ist still. Nikolaus mustert den Saal mit seinem langen, breiten Tisch in der Mitte und den hochlehnigen Stühlen. Dann betrachtet er einige Gemälde. Es handelt sich um Bilder, die erst kürzlich gemalt worden sind, also um "moderne" Kunstwerke, die Aufschluss über Piccolominis Geschmack geben sollen.

Plötzlich erschrickt Nikolaus. Eine weiße Taube, die er vorher nicht bemerkt hat­te, flattert durch den Raum und lässt sich zunächst auf eine Stuhllehne nieder. Dann hüpft sie auf den Tisch, den sie nach Krumen absucht.

Piccolomini, der jetzt den Saal betritt, ist erst 27 Jahre alt, klein und dünn und, wie sich herausstellen wird, von sprunghaftem Temperament. Strahlend geht er auf Nikolaus zu und erklärt mit aufrichtiger Bewunderung, wie sehr er seine, Nikolaus, glückliche Hand schätze. Damit spielt er auf die von Niko­laus entdeckten zwölf Komödien des Plautus an.

Piccolomini: „Eine Sensation, ein für unsere Kultur - er zeigt auf sich, weil er die römische meint - unermesslicher Schatz!“

Abrupt wendet er sich zum Tisch, auf dem die Taube spaziert:

"Genoveva, Genoveva, was macht mein Täubchen?"

ruft er in einem Ton, der wie eine nicht ernst zu nehmende Klage klingt. Er greift das Tier und tritt ans Fenster. Dann dreht er sich zu Nikolaus um und sagt: Jeden Morgen lasse er eine Taube fliegen - in der Hoffnung, dass der Heilige Geist das Konzil erleuchte. Er wirft die Taube gleichsam aus dem Fenster. Doch das Tier flattert nur kurz und setzt sich auf den Fenstersims. Mit gespielter Kummermiene im Gesicht seufzt Piccolomini:

"Kein guter Tag."

Er nimmt die Taube und geht zum Tisch, wo er sie weiter Krumen picken lässt. Zugleich bittet er Nikolaus, sich zu setzen.

Piccolomini: „Habt ihr die  Komödien des Plautus“?

Nikolaus: „Besitzt Ihr genug Geld, sie mir abzukaufen“?

Nikolaus Habsucht kommt zum Vorschein. Der Papst, der die Originale der Komödien kaufen wollte, habe einen zu geringen Preis geboten.

Piccolomini reagiert etwas befremdet. Er meint, bei den Komödien handle es sich um ein „Kulturgut", das im doppelten Sinn des Wortes von unschätzbarem Wert sei und im Grunde gar keinen Preis habe. Nikolaus hingegen sieht in den Komödien mehr eine "Ware", deren Wert sich durch Angebot und Nachfrage bestimmen lasse. Er, Piccolomini, habe seine Bilder - Nikolaus deutet auf die Ge­mälde an der Wand -auch gekauft.

Schließlich lenkt Piccolomi­ni ein. Er werde bei passender Gelegenheit den Heiligen Vater überreden, einen angemessenen Preis zu zahlen.

Dann fragt er, ob Nikolaus die Komödien hier in Basel bei sich habe.

Nikolaus: Nur ein Exemplar (Um welche Komödie es sich handelt, muss noch festgelegt werden).

Nikolaus lenkt das Gespräch auf seine Audienz bei Cesarini. Nikolaus bezeichnet sie als Niederlage und charakterisiert Cesarini als einen starren, abwei­senden Mann.

Piccolomini widerspricht. Obgleich er nicht unbedingt auf Seiten Cesarinis und seiner papalen Partei stehe, sondern sich eher als Konziliarist fühle und für die Beschneidung der päpstlichen Macht eintrete, achte er dennoch Cesarini als Freund und einen klugen, erfahrenen Diplomaten, der nicht durch Zufall Präsident des Konzils geworden sei. Aber Cesarini sei eben ein Legat des Papstes und habe dessen Interessen zu vertreten. Wenn Nikolaus seine Forderungen durchsetzen wolle, brauche er die Hilfe einflussreicher Konziliaristen. Allein, nur auf sich gestellt, brächte er keinen Prozess in Gang.

Piccolomini: Guten Freunden biete er gerne seine Hilfe an.

Nikolaus: Guten Freunden leihe er auch gerne die Komödien des Plautus aus. Er, Piccolomini, dürfe sie aber nur ein einziges Mal kopieren lassen.

Als Piccolomini zusagt, sich strikt an diese Maßgabe zu halten, verspricht Nikolaus, die Komödien beim nächsten Besuch mitzubringen.

Aber - klagend hebt Piccolomini die Hände - die Chancen stünden schlecht. Cesarini resigniere zusehend. Das Konzil sei zu einer Arena denaturiert, in der egoistische Dummköpfe ihre kleinlichen Streitereien ausfechten. Statt das drohende Schisma durch eine große geistige Anstrengung abzuwenden, stritten sich zum Beispiel zwei Konzilsteilnehmer darum, wem das Obst gehöre, das von dem Baum des einen in den Garten des anderen falle. An solchen Tagen würde er seine Taube erst gar nicht fliegen lassen.

Vor allem müsse die Kirchenreform, die an Haupt und Gliedern stattfin­den und die Spaltung verhindern soll, mit viel größerem Ernst und mehr geistiger Tiefe betrieben werden.

Piccolomini stellt Nikolaus die grundsätzliche Frage nach der Macht: Gebühre sie dem Papst oder dem Konzil?

Nikolaus greift die Taube und geht zum Fenster. Über diese Frage habe er auch schon nachgedacht. Es gehe darum, ein Ordnungssystem zu entwickeln, dem das Ideal des Konsens zugrunde liege. Die Frage laute nicht, ob der Papst oder das Konzil die Macht ausüben dürfe. Vielmehr gehe es darum, dass Papst und Konzil in einem vom Heiligen Geist gestifteten Konsens die Macht gemeinsam ausüben. Denn beide, Papst und Konzil, bilden die Kirche.

Nikolaus lässt den Vogel frei, der durchs Fenster wegfliegt.

Piccolomini: "Es scheint, der Hei­lige Geist war bei uns".

Dann ermuntert er Nikolaus, ein System auszuarbeiten, das auf dieser Grundidee - dem Ideal des Konsens - basiert.