In den folgenden Jahren bemühte sich Cusanus um den Anschluss des deutschen Adels an die römische Kirche als Mitglied einer Delega­tion Papst Eugens „zur Aufbrechung der deutschen Neutralität“. Gegenüber den Konzilen von Basel und Ferrara setzte sich Cusanus auf den Reichsfürstentagen unermüdlich für die Interessen des Papstes Eugen ein.

Die folgende Szene zeigt drei verschiedene Reichstage, auf denen Cusanus spricht. Dabei soll dem Zuschauer vorgeführt werden, wie zäh Cusanus mit seinen politischen Gegnern, den Vertretern des immer noch tagen­den Baseler Konzils, um die Geschlossenheit des europäischen Christentums ringt. Nikolaus Rede ist in drei Abschnitte aufgeteilt, von denen jeder auf einem anderen Reichsfürstentag gehalten wird. Dabei werden jeweils Jahr und Ort der wechselnden Reichstage eingeblendet. Während die Reichstage wechseln, soll Nikolaus Rede fortlaufend sein.

 

1.: Einblendung im unteren Bildteil: Mainz 1441.  

Ein Saal der bischöflichen Residenz, in dem sich der Adel und die Geistlichkeit Deutschlands sowie deren Sekretäre und Berater versammelt haben. Cusanus steht auf der Rednerkanzel und weist mit Hilfe astrologischer Berechnungen nach, dass das Baseler Konzil von vornherein unter einer ungünstigen Stellung der Gestirne stattfand. Daraus, so Cusanus, ließen sich auch die zahlreichen Irrtümer erklären, die zu einer Spaltung und schließlich zur Wahl eines Gegenpapstes geführt haben.

Die Anhänger des Papstes Eugen bilden eine Claque, die nach fast je­dem zweiten Satz, den Cusanus spricht, in frenetischen Beifall ausbre­chen. Die Vertreter des Baseler Konzils machen sich durch lautstarke Zwischenrufe bemerkbar. Sie beschimpfen Cusanus, er sei ein Überläufer, der von Papst Eugen und dessen Handlanger Cesarini mit viel Geld von der konziliaren zur papalen Partei gelockt worden sei.

Die dritte Gruppe, um die es geht, sind die Neutralen, der hohe Adel, der sich nicht bemüßigt fühlt, in die erhitzte Debatte einzugreifen. Die Kamera tastet einige Gesichter ab. Schweigend, mit ausdruckslosen Mienen verfolgen die Fürsten das Wortgefecht, als ginge es sie überhaupt nichts an. Einige haben sich schläfrig in ihre Sessel zurückgelehnt.

Schon vorher kommt Bewegung ins Bild, als immer mehr Zuhörer auf den hinteren Bänken aufspringen, weil sie Cusanus wegen der unentwegten Zwischenrufe akustisch nicht mehr verstehen können. Sie drängen in Richtung Kanzel, so dass das Bild einer Belagerung ähnelt.

(Jetzt soll, zunächst in einer Andeutung, jener paranoide Charakterzug des Nikolaus weiter entwickelt werden, der schon in der Täufer Szene 13, in der Cusanus ängstlich nach dem Geleit seiner Gardisten gesucht hatte, und bei seiner überstürzten Abreise aus Sonnenburg in Szene 19 zum Durchbruch kam).

Als einer der Zuhörer, von dem man nicht weiß, ob er Cusanus beglück­wünschen und Mut machen oder ob er ihn verprügeln will, die Treppe zur Reichstags-Kanzel hinauf stürmt, tritt Nikolaus instinktiv von der Brüstung zurück und stolpert die geschwungene Treppe hinab. Auf halbem Weg versucht der Mann, ihn aufzuhalten, indem er ihn umarmt. Dabei bleibt weiterhin unklar, welchem Zweck die Umarmung dient: Will er Cusanus überwältigen oder, damit er seine Rede fortsetzt, auf die Kanzel zurückdrängen? Cusanus gelingt es, sich zu befreien und in die schützende Schar seiner Gesinnungsfreunde unterzuschlüpfen. Sein Gesicht entspannt sich, und er findet, als habe es den Zwischenfall gar nicht gegeben, seine verbindlich - freundliche Sprache zurück. Darüber blendet die Kamera ab und führt zum nächsten Bild.

 

2. Einblendung am unteren Bildrand: Frankfurt 1442.

Die Versammlung dieses Reichstags besteht - wie die des nächsten - zum größten Teil aus jenen Männern, die dem Zuschauer schon aus dem vorangegangenen Frankfurter Reichstag bekannt sind.

Nikolaus steht auf der Kanzel und hat den Faden seiner Rede wieder aufgenommen. Die verhängnisvolle Konstellation der Sterne beweise eindeutig, dass die Beschlüsse des Baseler Konzils nicht über jeden Zweifel erhaben und also auch nicht unfehlbar sein können. Längst habe der Heilige Geist begonnen, seine Kirche in der neuen Konzilsstadt Ferrara zu bauen, und was in Basel geschehe sei unnützer Zeit­vertreib. Als Beweis führt Cusanus die inzwischen besiegelte Union zwischen Papst Eugens römischer und der orthodoxen Kirche des Kaisers Joseph von Byzanz an. Dann appelliert er, wie schon in Frankfurt, an die deutschen Fürsten, ihre Neutralität aufzugeben und sich der mächtigen Union anzuschließen. Doch die so beschworenen Männer in den Sesseln reagieren nicht. - Erneut kommt es zu einem kleinen Zwischen­fall. Kaum hatsich Nikolaus von der Kanzel begeben, zerrt ein Unbe­kannter an seinem Gewand. Eine Naht platzt. Nikolaus ist entsetzt. "Hilft mir denn niemand?" fleht er die Anwesenden an, die längst dabei sind, den Täter von ihm wegzuzerren.

 

3. Einblendung: Nürnberg 1444:

Cusanus wirkt erschöpft. Wieder steht er auf der Kanzel und kämpft gegen seine Resignation an. Obgleich sein Thema die Gefühle aufwühlt, spricht er eher tonlos. Er knüpft an seine Nürnberger Rede an und kommt auf den Einfall der Türken in Osteuropa zu sprechen und malt in düsteren Bildern deren weiteres Vordringen aus. Dann reißt er sich zusammen, ist ganz präsent. Dies sei ein Gottesurteil, ruft er mit donnernder Stimme, eine Strafe für die immer noch unschlüssi­gen Fürsten, die sich in ihrer Neutralität - er spricht das Wort wie ein Schandwort aus - sich wohl fühlten wie im Bett einer Hure. Derweil demütigten die Türken in den eroberten Gebieten unsere orthodoxen Glau­bensbrüder, schändeten seit Jahrhunderten das Heilige Grab Christi in Jerusalem, und die abendländische Kirche müsse diesem ruchlosen Treiben ohnmächtig zusehen, da sie der Zwietracht und Zerrissenheit verfallen sei. Noch einmal rafft er sich zu einem großen Appell auf: Nur die Einheit aller Christen könne den türkischen Vormarsch auf Konstantinopel auf­halten. Andernfalls sei das Ende aller Tage gekommen. Denn mit Konstantinopel stehe und falle die Vorherrschaft des wahren, des christlichen Glaubens in der Welt. Deshalb fordere er die Fürsten auf, endlich zu dem einen Glauben der einen Kirche zurückfinden, die unser Herr Jesus Christus gestiftet habe.

Wieder bleiben die angesprochenen Fürsten wortlos, was ein Gang der Kamera durch ihre Reihen zeigt. Cusanus verlässt entmutigt die Kanzel. Während er sich unter die Menge mischt, die seine Kanzel umlagert hatte, erfährt er eine kleine Genugtuung. Drei - allerdings unbedeutenden Männer - brechen in Jubel aus. Ins Bild kommt Piccolomini. Er bahnt sich einen Weg durch das Gedränge, greift die Hand des Cusanus und führt ihn durch den Saal in jene Richtung, wo sich die Plätze der päpstlichen Delegierten befinden. Beide werden sie immer wieder von aufgebrachten oder begeisterten Menschen aufgehalten, deren Stimmung Piccolomini mit unendlich sanften Handbewegungen und einem nie versagenden freundlichen Lächeln glättet.

Der dritte Zwischenfall stellt eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Kaum hat Cusanus seinen Platz erreicht, schwenkt die Kamera auf  einen der Konziliaristen und Gegenspieler des Cusa­nus. Mit strengem Gesicht strebt er auf die Kanzel zu, besteigt sie und verschafft sich mit schneidender Stimme Ruhe. Dann hebt er zu einer vernichtenden Rede an: Krebs, denn so heiße der Mann wirklich, seinen wohlklingenden Namen habe er selbst erfunden - Krebs sei ein Betrüger. Er halte zahlreiche Pfunde, die ihm das Baseler Konzil 1440 aufgrund seines abscheulichen Verrats (gemeint ist der Wechsel zur papalen Partei) entzogen habe, noch immer in seinem Besitz und ver­mehre auf diese verwerfliche Art und Weise seinen persönlichen Reichtum. Nach weiteren Bemerkungen, deren Gehässigkeit in jeder Silbe spür­bar sind, fordert er mit zitternder, sich überschlagender Stimme: Krebs sei ein Ketzer und gehöre vor ein Gericht der Inquisition.

Im Saal kommt es zu einem Tumult. Eine Gruppe von Adeligen, aber auch andere aufgebrachte Zuhörer zerren Nikolaus von seinem Platz. Dabei kommt es zu einem Handgemenge zwischen ihnen und den päpstlichen Dele­gierten, die ihrem Freund zu helfen versuchen.

Von der Kanzel herab beobachtet der Konziliarist befriedigt den Aufruhr. Plötzlich hat er einen Einfall. Er brüllt nach der Saalwache. Krebs sei unverzüglich zu ver­haften.

Cusanus ist zunächst wie gelähmt. Er wehrt sich nicht gegen das Gezerre. Plötzlich ist Piccolomini im Bild. Er bekommt Cusanus frei, so dass dieser zu einer kleinen, unbewachten Tür fliehen kann. Mit Todesangst im Gesicht versichert er mehr sich selbst als seinen Geg­nern, die ihn ohnehin nicht hören: Er habe nur Gutes im Sinn. Oh mein Gott, hilf mir! Dann verschwindet er taumelnd durch die rettende Türe.

 

Nürnberg, Hof der bischöflichen Residenz. Abend.

Nikolaus taucht in der Tür des Sitzungssaales auf, durch die er soeben geflohen ist, und hastet über den Hof. Er erreicht eine Straße, ohne dass ihm jemand gefolgt ist. Erschöpft lehnt er sich gegen eine Mauer. Sein flackernder Blick ist auf die Residenz gerichtet. Er zittert am ganzen Körper. Noch immer Verfolger hinter sich wähnend, huscht er durch die dunk­len Gassen, versteckt sich für Momente hinter Ecken und Hoftoren und lauscht. Kein Geräusch regt sich, keine Stimme, die nach ihm ruft, dieStille vergrößert aber nur seine Angst. Er phantasiert von einem Hinterhalt. Ja! Das Tor der Herberge. Das ist die Falle! Trotzdem treibt ihn ein letzter Funke von Mut vorwärts. Er erreicht das Tor, dessen Fackel friedlich in die Dunkelheit leuchtet. Spähend drückt sich Nikolaus an der Wand vorbei. Die Dunkelheit verschluckt ihn schließlich.

 

Nürnberg, Nacht.

Nikolaus Gesicht wird im Tor der Herberge sicht­bar. Er späht auf die Straße, die menschenleer ist. Mit einer hefti­gen Bewegung zieht er sein Pferd hinter sich aus dem Tor. Das Pferd schnaubt vernehmlich. Cusanus erstarrt vor Schreck und sucht erneut die Straße nach möglichen Verfolgern ab. Doch wieder zeigt sich kein Mensch. Er befestigt einen Beutel am Sattel, besteigt das Pferd und treibt es aus dem Stand heraus in einen Galopp.